13. Dezember - ThatchxMarco (Real Life)

Ich liebte den Rausch des Weihnachtsbummels. Strahlender Glanz erfüllte alle Geschäfte, die Welt roch nach Glühwein und Lebkuchen und Mann konnte so hervorragend wie sonst nie unter Beweis stellen, dass Frauen nicht die einzigen waren, die sich zwischen Einkaufstüten und Schaufenstern wie zuhause fühlten. Genau aus diesem Grund hatte ich auch einen Samstag gewählt, um Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Wo viele Leute unterwegs waren, blühte ich erst richtig auf. Ich drängelte, schubste und zankte mich für mein Leben gerne. Geschenke, die man nicht durch das Gewinnen einer Kabbelei mit einer alten Oma oder durch das vor der Nase eines unentschlossenen Teenagers Wegschnappen eroberte, waren meiner Meinung nach keine richtigen Geschenke. Umso bunter es zuging, desto besser.
 Es war bereits dunkel außerhalb der Läden und ich stand auf der Rolltreppe des Einkaufszentrums. Die meisten Geschenke hatte ich bereits besorgt und war somit vollgepackt mit Tüten. Eines jedoch fehlte noch. Und das war eigentlich das Wichtigste von allen. Die große Schwierigkeit, wenn man meinen festen Freund Marco beschenken wollte, bestand allerdings darin, dass er sich nie konkret etwas wünschte. Ihn durch seinen Korrekturstress hindurch, den er als Mathe- und Wirtschaftslehrer um diese Jahreszeit hatte, dazu anzuhalten, einmal über etwas anderes als Zahlen und Formeln nachzudenken, war leider schlicht und ergreifend unmöglich. Und ich deshalb auf mich alleine gestellt, wenn es darum ging, das passende Geschenk für ihn auszuwählen.
 Nie wünscht er sich etwas Richtiges, dachte ich, während ich mit einem Seufzen das nächste Klamottengeschäft betrat, Da braucht er sich nur nicht zu wundern, wenn ich ihm mal irgendwelchen Schund schenke. Einen Sack Vogelfutter oder so.
 Wobei er sich über den auch noch freuen würde. Alles, was Federn hatte, war auf unserer Terasse gern gesehener Gast, wenn es nach Marco ging, und schiss fröhlich meine teuren Gartenmöbel voll.
 Am besten kauf ich ihm einen Plätzchenteller aus Blech, überlegte ich missmutig und blieb vor einigen Schütten stehen. Hausschuhe in Rentierform, Kinderzahnbürsten mit Weihnachtsmotiven und einige preiswerte Büstenhalter tummelten sich hier. Nichts, womit man Marco eine Freude bereiten konnte.
 Oder doch?
 Da waren Socken. Hunderte von verschiedenen Sockenpaaren. Hatte er sich nicht letztens beschwert, dass er zu wenig Socken hatte?
 Eifrig fing ich zu graben an. Wenn schon, dann musten es lustige Motive sein. Elche vielleicht. Oder Kekse.
 »Sie sehen aus, als würden Sie ein Geschenk für jemanden suchen.«
 Neben mir war jemand aufgetaucht, der auch offensichtlich an die Socken wollte. Aber nicht jetzt, da ich hier beschäftigt war!
 »Ja, für meinen Freund«, antwortete ich deshalb knapp. Sollte der Typ sich doch denken, was er wollte.
 »Aha. Und Sie sind sich sicher, dass Ihr Freund auf Kindermotive steht?«
 »Das sind doch keine Kindermotive«, erwiderte ich prompt, »Die sind lustig.«
 »Die meisten Männer mögen graue oder schwarze Socken.«
 Der Kerl hörte einfach nicht auf, es besser wissen zu wollen. Wo kamen solche Vögel eigentlich immer her?
 »Jetzt hören Sie mal zu!«, begann ich und sah endlich von meinem Gewühle auf, »Erstens werde ich von uns beiden noch am allergenausten wissen, welche Socken mein Freund-! … Umm... Marco?«
 Ich glotzte ihn an, wie er mit verschränkten Armen und einem sanften Lächeln dastand.
 »Ja, Thatch?«
 Er hob eine Braue.
 »Du gemeiner Kerl!«, kichernd knuffte ich ihn, dann warf ich ihm ein Bündel Socken zu, »Da, such dir dein Weihnachtsgeschenk doch selber aus! Was machst du überhaupt hier?«
 Marco fing die Socken auf, besah sie kurz und steckte sie dann in seinen Einkaufskorb.
 »Geschenke kaufen«, entgegnete er mit einem Zwinkern, »Und danke, dass ich jetzt weiß, wie sehr dir 'lustige Motive' gefallen.«
 Er wandte sich ab und verschwand in Richtung Kasse.
 Wieso nur hatte ich das Gefühl, gerade gesehen zu haben, was ich dieses Jahr zu Weihnachten bekam?