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06.12.2013 - Der Schwur

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SimonStardust666's avatar
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Seit Tagen schon kämpfte sich unsere Truppe von Wesen der Dunkelheit durch Eis und Schnee. Lord Luthien, selbsternannter Herrscher der Finsternis und Anführer der Dunkelelfen, mochte in der Tat ein brillanter Heerführer sein, doch nichtsdestotrotz hatte uns der Winter eingeholt. Über die Jahreszeiten war selbst Luthien nicht in der Lage zu gebieten. Was aber auch ganz gut so war, wenn man es genauer überdachte. Die Macht, die er über die Finsternis hatte, war schrecklich genug.
 Auf diese Weise hatten wir Zuflucht in einer vereisten Berghöhle gefunden. Keiner der gewöhnlichen Soldaten traute sich weiter hinein als von Nöten war, um all den Werwölfen, Vampiren, Peerons, Dunkelelfen und diversen Monstern einen angemessenen Schlafplatz zu verschaffen. Im Gegensatz zu mir, der ich als Magier schon immer meine Neugierde offen ausgelebt hatte. Kaum hatte ich nämlich mein Lager ganz am Rande des Heeres aufgeschlagen, war ich auch schon auf leisen Sohlen davongeschlichen. Was wir hier als Unterschlupf missbrauchten, so stellte sich schnell heraus, war genaugenommen ein uralter, vergessener Eistempel von monumentaler Größe.
 »Lass es uns tun.«
 Astats Worte durchzuckten mich voller Dringlichkeit, als ich gedankenverloren vor dem bläulich schimmernden Altar stand. Ich hatte versprochen, darüber nachzudenken. Und umso länger ich das filigran gearbeitete Innere des Tempels betrachtete, desto klarer wurde mir, dass die Zeit gekommen war, meinem engsten Gefährten eine Antwort zu geben.

Eine Stunde vor Sonnenaufgang fand ich endlich die Gelegenheit, nach der ich gesucht hatte. Unsere Krieger, von Natur aus nachtaktiv, zogen sich gerade einer nach dem anderen in ihre Schlafsäcke und Nester zurück, als ich Astat in eine hitzige Debatte mit unserem Anführer verstrickt beim Eingang der Höhle entdeckte. Offensichtlich diskutierten die beiden über den weiteren Weg, den wir einschlagen sollten. Mir war dieses Thema einerlei, weshalb ich im Schatten verborgen wartete, bis nach weiteren zehn Minuten Lady Roxane ein Machtwort sprach und die beiden Hitzköpfe schlafen schickte. In Luthiens Fall mochte ihn das auch wieder einigermaßen abkühlen. Astat jedoch, den seine Vampirnatur launisch und unberechenbar machte, rauschte brodelnd vor unterdrücktem Zorn an meinem Versteck vorbei, wobei er Verwünschungen und Beschimpfungen vor sich hin murmelte.
 Rasch löste ich mich aus den Schatten und folgte ihm mit einer Leichtfüßigkeit, die noch aus meinen Tagen als Magier des Silberordens stammte.
 »Hey! Hey, Astat! Wohin gehst du?!«
 Ich hatte ihn eingeholt und eilte nun neben ihm her, wie er mit großen, wütenden Schritten auf seinen Lagerplatz zuhielt.
 »Irgendwohin, wo Luthien mir mit seinen hirnrissigen Ideen nicht auf den Geist gehen kann!«, blaffte er mich an, »Durch Orkland will er ziehen! Pah! Anstatt dem Weg zu folgen, auf dem wir gekommen sind! Das würde uns einiges an Strapazen ersparen! Aber nein! Unser Herrscher muss seine Macht sogar vor solch primitiven Kreaturen unter Beweis stellen!«
 Er sah mich scharf an. Für gewöhnlich hatte ich in jeder Lebenslage einen zynischen Kommentar auf Lager. Diesmal jedoch biss ich mir auf die Zunge. Niemand wollte einen wütenden Astat noch wütender erleben. Stattdessen meinte ich beschwichtigend: »Er wird seine Gründe haben. Verzeih es ihm. Außerdem sind ein paar Orks nichts, womit wir nicht spielend fertig werden würden.«
 »Das mag schon sein! Aber...!«
 »Astat.«
 Ich packte ihn an beiden behandschuhten Armen und zwang ihn somit zum Stehenbleiben.
 »Was?!«
 Schnaubend wie ein Stier starrte er mich an. Seine roten Augen durchbohrten mich, als wäre ich alleine an allem Schuld, doch ich lächelte nur milde.
 »Vergiss Luthien für eine Weile und sieh dir lieber an, was ich gefunden habe.«
 »Was hast du gefunden?!«
 Er baute sich einschüchternd vor mir auf, doch wie immer prallte jeglicher Versuch, mir Macht aufzwingen zu wollen, von mir ab. Ich mochte wie auch er nur einer von Lord Luthiens vier Beratern sein, doch ich hatte meinen eigenen Kopf.
 »Komm mit«, war genau aus diesem Grund nun auch das einzige, was ich zu Astat sagte, der mit tief zerfurchter Stirn dastand, bevor ich ihn bei der Hand nahm und einfach mit mir zog. Weg von den anderen und tief in die Höhle hinein.
 Mehr schlecht als recht stolperte er hinter mir her, seine schweren Stiefel nicht gerade das beste Fortbewegungsmittel auf dem vereisten Boden. Doch selbst wenn ihn weiterer Unmut plagte, ließ er sich davon kaum etwas anmerken. Tatsächlich gab er nicht den leisesten Ton von sich, bis wir das zum Tempel ausgearbeitete Ende des Tunnels erreicht hatten und dort innehielten. Der Anblick versetzte nicht nur mich (ein erneutes Mal) in Staunen.
 »Ramon...«
 Meinen Namen flüsternd ließ Astat meine Hand los und trat andächtig auf den Altar zu, der in der Kälte wie ein einziger Kristall schimmerte. Seine Finger fuhren an einer der Seiten entlang, dann wandte er sich mit einer hochgezogenen Braue zu mir um.
 »Wieso zeigst du mir das?«
 »Was für einen Grund könnte ich dafür wohl haben?«
 Langsam näherte ich mich ihm, ein schiefes Lächeln im Gesicht.
 »Du meinst doch nicht etwa...?«
 Auf mein vielsagendes Nicken hin streiften Astats Blicke den sanft leuchtenden Tempel in überwältigter Fassungslosigkeit. Wenn auch diese wohl eher positiv aufzufassen war.
 »Jetzt?«, wisperte er und sah mich wieder an. Seine Augen überzog etwas feucht Schimmerndes, in dem sich eisiges Blau in zahlreichen Facetten widerspiegelte.
 »Natürlich jetzt«, erwiderte ich, wobei ich beide seiner Hände in die meinen nahm, »Warum sonst hätte ich dich zu dieser Zeit hierher geführt?«
 Ich sah, wie er Bedenken hinunterschluckte. Die Sehnsucht nach dem Notwendigen war wohl größer als seine eigene Vernunft. Schließlich fasste er mit fester und trotz allem ungewöhnlich warmer Stimme einen Entschluss.
 »Dann lass es uns tun, Ramon. Wenn wir jetzt nicht handeln, gibt es vielleicht keine zweite solche Gelegenheit für uns.«
 »Gut, dass du das auch so siehst.«
 Und mit diesen Worten ließen wir uns einander gegenüber im klirrend kalten Schnee auf die Knie sinken. Unsere Hände hielten die Verbindung zwischen uns weiterhin aufrecht. Die Verbindung, die wir nun im Inbegriff waren zu stärken und zu vollenden. In gegenwärtigen Zeiten stand zwei Männern eine Heirat in keinster Weise zu, das war jedem bewusst. Doch genau aus diesem Grund wurde der Schwur, den sich für gewöhnlich Ritter oder Söldner untereinander leisteten, gerne als einzig akzeptierte Alternative verwendet. Wobei »akzeptiert« ein weitläufiger Begriff war; oftmals lief es sich auf ein »geduldet werden« oder öffentliche Verachtung hinaus. Eine Last, die Astat und ich jedoch ohne weiteres auf uns nahmen. Wir waren einander wichtig, wir brauchten einander und – bei allen Mächten der Finsternis – wir liebten uns! Eine Tatsache, für die wir jederzeit einstehen würden und über die genaugenommen niemand zu richten hatte.
 Ohne Priester, ohne Zeugen und doch mit dem ungebrochenen Willen, auszuführen wofür wir gekommen waren, knieten wir dort vor dem Altar. Er der undurchschaubare Vampirfürst und ich der wortgewandte Nekromant, die durch die kapriösen Launen des Schicksals zueinander gefunden hatten.
 »Bist du bereit?«, flüsterte ich kaum hörbar.
 »Ich bin bereit.«
 »Dann lass uns beginnen.«
 Der Druck unserer Hände wurde inniger und die Blicke, die wir uns zuwarfen, tiefer. Wir kamen einander näher, bis seine Stirn die meine berührte, dann verharrten wir für einen Moment in einvernehmendem Schweigen. Bis ich meine Augen schloss und anfing, die rituellen Worte zu sprechen.
 »Unzählige Schlachten haben wir Seite an Seite bestritten...«
 »...und unzählige Schlachten liegen noch vor uns«, fügte Astat mit tiefer Stimme an.
 »Doch ganz gleich, welche Gefahren unseren Weg auch kreuzen, hiermit geben wir uns das immerwährende Versprechen, einander zu schützen,...«
 »...füreinander zu sorgen,...«
 »...uns loyal und treu zur Seite zu stehen...«
 »...und diesen Bund bis über den Tod hinaus heilig zu halten.«
 »Auf dass Lügen und Intrigen ihn niemals zerreißen mögen...«
 »...und keine dritte Person ihn durch ihren Neid und ihre Gier entzweie.«
 »Wir schwören ab jeglicher Verpflichtung außerhalb dieses Bundes,....«
 »...sei es die Verpflichtung gegenüber einem Herrscher, einer Gilde oder einer Frau,...«
 »...und nehmen das Leben des anderen als wertvollsten Besitz an, den wir jemals unser Eigen nennen werden.«
 »Von nun an, fortwährend und immerdar.«
 »All dies schwöre ich, Ramon der Schwarze, dir, Sir Astat.«
 »Ebenso wie ich, Sir Astat, es dir, Ramon dem Schwarzen, schwöre.«
 Stille folgte auf unsere Worte, nur durchbrochen von unserem schweren Atmen und dem Knirschen von Astats Lederhandschuhen, die wärmend meine Finger umschlossen hielten. Für gewöhnlich fehlten nun noch ein Schnitt in die Handfläche und die Vermengung des Blutes, um das eben geschlossene Bündnis zu besiegeln. In unserem speziellen Fall verhieß etwas anderes jedoch so viel mehr an Bedeutung.
 Ein Kuss war es. Seine Lippen legten sich unmissverständlich an die meinen – ehrlich und voll bedingungsloser Liebe – und erhielten die zärtliche Antwort auf die denkbar einfachste und umfassendste Weise. Dies war unser eigentliches Versprechen und die Worte zuvor nur ein ansatzweiser Versuch einer Übersetzung. Was uns tatsächlich verband, vermochte keine Sprache der Welt auszudrücken. Nur die eine, die sich keinem einzigen Wort bemächtigte und wohl doch die älteste der Welt war.

Wir kehrten Hand in Hand zu den anderen zurück, als die ersten Sonnenstrahlen den Eingang der Höhle in warme Farben tauchten. Rings um uns her erwachte der Tag zu neuem Leben und der einzige, der noch nicht schlief, war Shogar, Anführer der Werwölfe, der die erste Wache übernommen hatte. Er entdeckte uns, wie wir nahe an den Abgrund traten, um die im Frühnebel daliegenden Wälder zu bewundern, und sah uns eine Weile schweigend an. Schließlich meinte er: »Luthien hat euch gesucht. Wo wart ihr?«
 Ich seufzte auf, sah Astat kurz in die Augen und gab dann eine vielsagende Antwort.
 »Wir haben, wie man so schön sagt, den Schwur geleistet.«
 Dabei beließ ich es. Mit einem spöttischen Grinsen und Shogars leicht angewidert gekräuseltem Mundwinkel keine Beachtung schenkend. Was Astat und ich teilten, würde außer uns niemals jemand wirklich verstehen. Und aus genau diesem Grund hatte ich mich auch vor niemandem zu rechtfertigen.
Wieder mal OCs: Ramon und Astat (michaelsilverleaf.deviantart.c….
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